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Außerbetriebliche Ausbildung im Best Western Premier IB Hotel Friedberger Warte in Frankfurt/Main: Jeder Zurückgelassene ist einer zuviel – Interview mit Hoteldirektor Michael Mauersberger

(Frankfurt/Main, 22. Oktober 2013) Alle Jahre wieder im Juli und August ist es soweit: Tausende neue Auszubildende treten ihren Dienst bei ihrem ersten Arbeitgeber an. War die Situation noch in den 1990er Jahren so, dass man als junger Mensch um einen entsprechenden Vertrag kämpfen – oder sich zumindest intensiv bemühen – musste, so hat sich die Situation inzwischen nahezu gedreht. Heute sind es oft die Unternehmen, die sich aktiv auf dem Markt nach Bewerbern umsehen und sich selbst als attraktiver Arbeitgeber bewerben müssen. Dennoch: Einige Bewerber finden keinen Ausbildungsplatz, weil sie nicht den Anforderungsprofilen entsprechen oder die entsprechende Qualifikation mitbringen. Eine weitere Gruppe kommt aus sozial schwierigen Verhältnissen, zerrütteten Familien, verfügt über defizitäre Sozialkompetenzen, hat Sprach- und andere Schwierigkeiten oder bisher einfach nur Pech. Ihnen eine Chance auf Beruf und Zukunft zu geben, hat sich das Frankfurter Best Western Premier IB Hotel Friedberger Warte – hinter dem der Internationale Bund als Mehrheitsgesellschafter steht – zur Aufgabe gemacht. Seit vier Jahren steht das Vier-Sterne-Haus unter der Leitung von Direktor Michael Mauersberger.

Michael Mauersberger, Direktor im Best Western Premier IB Hotel Friedberger Warte
Michael Mauersberger, Direktor im Best Western Premier IB Hotel Friedberger Warte

Herr Mauersberger, der kleine Zusatz „IB“ in Ihrem Hotelnamen fällt kaum auf – doch er steht nicht nur für den Träger, sondern eine eigene Philosophie…
Michael Mauersberger: “Das stimmt. Das Kürzel „IB“ steht für den Internationalen Bund e.V., einen der großen Träger für Bildungs-, Jugend- und Sozialarbeit. Er hat es sich zum Grundsatz gemacht hat, Menschen bei der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Lebensgestaltung zu unterstützen, damit sie der Verantwortung für sich selbst und der Gesellschaft gerecht werden können. In unserem Fall wurde mit dem Ausbildungshotel des IB eine Ausbildungsstätte geschaffen, die ihresgleichen sucht: Hier werden – parallel zum regulären Ausbildungsbetrieb – förderungsbedürftige Jugendliche unter Realbedingungen in Service, Küche und vielen weiteren Hotelbereichen praktisch und theoretisch ausgebildet. Die jungen Menschen, die in der Regel ohne Perspektive und mit sozialer Benachteiligung zu uns kommen, werden hier umfangreich ‘aufgebaut’, in Sozial- und Personalkompetenzen geschult und somit behutsam in den Prozess der Ausbildung eingeführt. Dabei werden sie ständig von Ausbildern und zusätzlich einer Sozialpädagogin intensiv betreut. Das Prinzip ist vergleichbar mit der Vorbereitung für eine Bergtour mit schwerem Gepäck: Anfangs sind die Auszubildenden zu schwach, dieses alleine zu tragen. Nach und nach jedoch sind sie in der Lage, mit dem Gewicht des Rucksacks auf dem Rücken umzugehen und schließlich gelingt es ihnen, alleine den Berg zu erklimmen.”

Auszubildende im Best Western Premier IB Hotel Friedberger Warte
Auszubildende im Best Western Premier IB Hotel Friedberger Warte

Wie haben sich 2013 Ihre neuen Auszubildenden zusammengesetzt?
Mauersberger: “Grundsätzlich versuchen wir stets, zwischen betrieblichen und außerbetrieblichen Auszubildenden in etwa ein Gleichgewicht zu halten. In diesem Jahr wurden insgesamt sechs eigene Lehrlinge eingestellt und genauso viele Stellen sollen noch mit förderbedürftigen Jugendlichen besetzt werden. Letztlich hängt das immer von unserem Bedarf und auch von der Finanzierung durch die Bundesagentur für Arbeit oder das Jobcenter ab. Ausgebildet werden bei uns Köche, Hotel- und Restaurantfachleute sowie Fachkräfte im Gastgewerbe. Besonders stolz sind wir dabei auf unsere hohe Erfolgsquote: Von den zehn Auszubildenden, die beispielsweise im letzten Sommer die Prüfung ablegten, haben neun diese erfolgreich absolviert. Ich finde, das ist ein tolles Ergebnis – der Dank und meine Hochachtung hierfür gebührt unseren Ausbildern und allen Beteiligten.”

Wie unterscheidet sich die außerbetriebliche Ausbildung von der betrieblichen?
“Die betriebliche Ausbildung ist ja hinlänglich bekannt: Die Praxis wird im Betrieb gelehrt und durch Wiederholungen im Alltag gefestigt, die theoretischen Fachkenntnisse werden in der Berufsschule, aber auch im Betrieb – beispielsweise im Rahmen von Mitarbeiterschulungen – vermittelt. Bei der außerbetrieblichen Ausbildung erhalten die Azubis – neben der sozialpädagogischen Betreuung, die täglich stattfindet – an einem Tag in der Woche zusätzlichen Förderunterricht von einem Ausbilder, der den Berufsschulunterricht ergänzt. Auch absolvieren sie pro Ausbildungsjahr für sechs bis acht Wochen ein Praktikum in einen externen Betrieb, also einem anderen Hotel. Außerdem werden Sie mehrere Wochen vor der Zwischen- und Abschlussprüfung von ihren Ausbildern besonders intensiv auf die jeweilige Prüfung vorbereitet.”

Auf welche Erfolgsgeschichten können Sie während der letzten Jahre zurückblicken?
“Nun, da gibt es erfreulich viele. Biographien, die ohne unser Mitwirken mit Sicherheit anders verlaufen wären – aber das ist natürlich spekulativ. Fakt ist jedoch, dass – nachdem es zwei von drei Auszubildenden über die erste kritische Zeit direkt nach dem Ausbildungsbeginn schaffen – es kontinuierlich mehr als 90 Prozent unserer Auszubildenden gelingt, eine erfolgreiche Prüfung abzulegen. Das alleine ist schon bemerkenswert. Zu zahlreichen unserer Schützlinge halten wir noch immer Kontakt und wissen, wie ihr weiterer Weg verlaufen ist. Besonders freuen wir uns, wenn wir junge Menschen so motivieren konnten, dass sie sich nach ihrer Ausbildung bei uns aus eigener Initiative weiterbilden möchten und dies auch tun, wenn sie ins Ausland gehen, um weitere Erfahrungen zu sammeln, oder ganz einfach ‘ihr Ding’ machen und ihr eigenes Geld verdienen. Gerne denke ich auch an einen unserer Koch-Auszubildenden zurück, der bei der Dehoga-Bezirksmeisterschaft relativ unerwartet den ersten Platz belegte. Ein Erfolgserlebnis, das er bis dahin wohl noch nicht hatte und das ihn sicherlich positiv prägte.”

Gab oder gibt es Probleme bei der Zusammenarbeit mit den „regulären“ Azubis?
“Klar wird hin und wieder gefragt, warum die einen Mitauszubildenden etwas dürfen oder bekommen und die anderen nicht. In solchen Situationen sind wir, vom Mitarbeiter bis hin zur Geschäftsleitung, gefordert, zu erklären und zu kommunizieren. Letztlich geht es um das Werben für Verständnis für die jeweils anderen Umstände. Im Grunde befinden sich ja zwei unterschiedlich arbeitende Unternehmen unter dem Dach des Hotels: die geförderte Ausbildung des Internationalen Bundes und das rein betriebswirtschaftlich orientierte Hotelunternehmen – die Hotel Friedberger Warte GmbH. Von ‘Problemen’ zu sprechen wäre jedoch übertrieben, eigentlich läuft das alles hier recht reibungslos ab.”

Wissen Ihre Gäste um dieses besondere Ausbildungskonzept Bescheid? Gibt es Reaktionen darauf?
“Ziel ist es in erster Linie, den Auszubildenden die Möglichkeit zu geben, in einem Vier-Sterne-Hotel eine völlig normale Ausbildung zu erfahren und dabei keine ‘nachgestellten’ Bedingungen zu erleben, wie man es vielleicht von anderen Praxisbeispielen kennt. Dabei bemerken unsere Gäste keinen Unterschied in unserer Service- und Dienstleistung. Ganz im Gegenteil, wir können stolz sein auf unsere sehr gute Qualität, die uns persönlich und online von unseren Gästen immer wieder bestätigt wird. Natürlich klären wir unsere Gäste und ‘Großkunden’ entsprechend und wiederholt auf. Dabei sind die Reaktionen ausnahmslos positiv und unsere Kunden freuen sich, dass sie mit ihren Buchungen solch ein tolles Projekt unterstützen.”

Hat sich in den letzten Jahren die Zahl der Bewerber für eine außerbetriebliche Ausbildung verändert?
“In Zeiten, in denen es der Wirtschaft gut geht und der Fachkräftemangel größer wird, ändern sich die Einstellungskriterien vieler Unternehmen. Konkret heißt das, dass ein jugendlicher Bewerber, der früher aufgrund seines Hauptschulabschluss, wegen mittelmäßigen bis schlechten Schulnoten oder wegen privaten Problemen keinen regulären Ausbildungsplatz erhalten hat, heute schneller die Zusage für eine Ausbildung erhält. In einer solchen Phase befinden wir uns aktuell. So bleiben – glücklicherweise – immer weniger förderbedürftige Jugendliche übrig und die rückläufige Förderung durch Bund, Länder und Kommunen trägt ein Übriges dazu bei. Hatten wir in unserem Hause noch vor einigen Jahren bis zu 60 Ausbildungsplätze, so sind inzwischen nur noch besagte sechs übrig geblieben.”

Sehen Sie Ihr Konzept als eine grundsätzliche Lösung, die in dieser Form öfter angewendet werden sollte?
“Ich sehe nach wie vor eine große Notwendigkeit, Jugendlichen über diesen Weg der außerbetrieblichen Ausbildung zu helfen. Wenn junge Menschen mit ihren Problemen alleine gelassen werden, wenn gerade in der Anfangszeit der Ausbildung durch physische und psychische Überforderung Ausbildungsabbrüche provoziert werden, dann muss jedem klar sein, dass hier Unterstützung von Nöten ist. Und die erforderliche Art der Unterstützung kann von regulären Betrieben alleine nicht gewährleistet werden, daher bin ich vom Konzept des IB überzeugt.”

Wenn Sie einen Wunsch an die Politik hätten, dann…
“…kann ich nur appellieren, die entsprechenden Förderprogramme nicht einzustampfen und betroffenen Jugendlichen weiterhin eine adäquate Hilfe zukommen zu lassen. Und das nicht nur zu deren Vorteil, sondern auch zum Wohle der Gesellschaft, in der sie ihren nutzbringenden Beitrag leisten sollen. Gelingt dies nicht, dann fehlt dieser Mensch später nicht nur als Steuerzahler, sondern er belastet zusätzlich unser Sozialsystem. Da kommen im Laufe eines Lebens schnell hohe Summen zusammen, die in keinem Verhältnis zu den weitaus geringeren Investitionen am Anfang einer vermeintlichen Karriere stehen. Hilfe zur Selbsthilfe ist der einzig richtige Weg und jeder Zurückgelassene ist einer zuviel.”