Skip to content

Corona ebnet Weg aus dem Massentourismus: Pandemie als Chance für mehr Verantwortung, aber auch für langfristige Tourismuserfolge

Overtourism (Foto: MeineResteRampe / Pixabay)

Villach/Österreich, 09. Juni 2020 – “Das Coronavirus ist eine Chance, das Reisen neu zu definieren und in einen planetarischen Zusammenhang zu setzen. Gerade jetzt, wo die Tourismusbranche stillsteht, ist eine Abkehr vom unersättlichen Massentourismus und der Zerstörung der Umwelt möglich.” Mit dieser Aussage hat Reisephilosoph Klaus Kufeld die Diskussion zum Tourismusforum der 6. Europäischen Toleranzgespräche eröffnet, an denen zeitweise über 120 interessierte Touristiker live teilgenommen haben.

Die ganze Session auf Youtube zum Nachschauen: https://youtu.be/24uA74QFfrU

Reisen als Schulfach
“Der Mensch ist seit jeher mobil. Unsere ganze Entwicklung lief immer auf den Exodus hinaus. Nur durch die Bewegung können wir an uns selbst und an der Welt arbeiten”, so der Bloch-Schüler und Gründer des Ernst Boch-Zentrums in Ludwigshafen. Jedoch drohe der übersteigerte Massentourismus der heutigen Zeit die menschliche Entwicklung zu ersticken. “Die Welt wird monoton. Zwar können immer mehr Menschen reisen, aber in der Globalisierung haben wir schon alles entdeckt und in der Digitalisierung alles im Griff.” Kufeld sieht für kommende Generationen ein Umdenken als unerlässlich. Reisen als Schulfach wäre für den Philosophen ein wichtiger erster Schritt.

Autorin Henriette Schröder pflichtete Kufeld bei, sieht aber vor allem in der Digitalisierung einen Faktor für die Monotonisierung der Welt. “Dadurch gehen vielfach Neugier und Abenteuer verloren.” Natürlich werde durch das Voranschreiten der technologischen Entwicklung vieles einfacher und bequemer. “Eine Reise sollte aber immer auch ein wenig Abenteuer sein. Wenn ich mich nur noch auf die Informationen aus dem Netz verlasse, bedeutet das den Verlust jeglicher Eigeninitiative”, kritisierte Schröder.

Klaus Kufeld (unten rechts) und Diskutanten (Foto: Pressetext)
Klaus Kufeld (unten rechts) und Diskutanten (Foto: Pressetext)

Vorrang für Inlandsreisen
Für die Touristikbranche bringt das Coronavirus vor allem ökonomische Veränderungen. Laut Roland Sint, Geschäftsführer von Wörthersee Tourismus, bedeutet das Jahr 2020 einen “Totalausfall”, der die Existenz vieler Unternehmen bedroht. Doch auch für die Reisebranche sei die Pandemie eine mögliche Chance, denn die generelle Reiselust der Menschen sei dadurch kaum getrübt worden.

Reisen im Inland wird laut Sint künftig möglicherweise einen Siegeszug feiern: “Wir werden zum Beispiel heuer viel mehr Gäste bei uns am See haben, die in den Jahren zuvor nur zum Meer auf Badeurlaub gefahren sind. Das ist ein Geschenk. Wenn es uns gelingt, diese Menschen von der dauerhaften Qualität eines Urlaubs an einem Süßwassergewässer zu überzeugen, kommen sie vielleicht auch später wieder hierher.”

“Der Einkapselung entfliehen”
Auch Wolfgang Eixelsberger, Professor für Digital Business an der FH Kärnten, sieht das Coronavirus eher als Antrieb für eine neue Reisefreudigkeit der Menschen. Denn schließlich hätten viele von ihnen lange Zeit in den eigenen vier Wänden festgesessen. “Home-Office ist auf Dauer sehr langweilig. Der Drang rauszukommen, der Einkapselung zu entfliehen und die Welt zu sehen, könnte dadurch wieder deutlich verstärkt werden”, so seine Überlegung.

Auf Touristiker sieht der Wissenschaftler aber auch abseits von Corona große Herausforderungen zukommen – etwa im Bereich der Digitalisierung. “Als Reisender möchte man heute etwas Besonderes erleben. Zum Gesamtpaket an Erfahrungen gehört dabei mehr als eine schöne Natur und ein gutes Hotel. Hier spielen auch digitale Services wie Apps und andere Zusatzleistungen eine immer gewichtigere Rolle”, betonte Eixelsberger.